Tien Shan

Eine Mehrtagestour im hohen Tien Shan war das letzte Trekking und der Höhepunkt meiner Reise nach Kirgistan. Ziel sollte der Enylcheck-Gletscher im Grenzgebiet zwischen Kirgistan, Kasachstan und China sein.

Dieser Gletscher besteht aus einem nördlichen und einem südlichen Teil, der von den Schneefeldern des 7010 m hohen Khan Tengri gespeist wird. Der südliche Teil, der um die 60 km lang ist, zählt zu den weltweit größten Gletschern außerhalb der Polarregion … und dorthin sollte das Trekking führen.

  • Lage

Ziel ist ein Zeltstädtchen am Ende des südlichen Enylcheck-Gletschers, von wo aus Bergsteiger aufbrechen, um den Khan Tengri zu besteigen.

Dieses Gebiet liegt im Dreiländereck China, Kirgistan und Kasachstan.

  • Distanz

Auch bei dieser Tour ist eine genau Angabe zur zurückgelegten Distanz schwierig. Ich hatte kein GPS dabei und wir sind teilweise querfeldein gegangen. Ich schätze jedoch, dass wir insgesamt um die 80 km gegangen sind.

  • Dauer

Etwa 6 Tage. Wobei man in diesem Gebiet die Wanderung noch hätte ausdehnen und zum Beispiel dem Merzbacher Lake noch einen Besuch abstatten können.

  • Start und Ziel

… der Tour war jeweils Karakol. Jedoch wanderten wir nicht direkt dort los, sondern Ulan, mein Fahrer, fuhr uns noch tief in den Tien Shan hinein. Dabei kamen wir an der verlassenen Stadt Enylcheck vorbei. Diese Stadt, die in den 80er Jahren mit Unterstützung (und besonderem Interesse) der Sowjets gebaut wurde, liegt 200 km östlich von Karakol auf etwa 2000 m üNN und wurde nie bewohnt. Nie zuende gebaute Wohnhäuser, Einkaufszentren und Fabriken verfallen. Ursprünglich sollte die Stadt den Arbeitern der lokalen Zinnmine und ihren Familien ein Zuhause geben, doch mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurde dieses Vorhaben aufgegeben und die Stadt vergessen.

Auch für den Rückweg wartete Ulan auf uns. Nachdem wir den Inylcheck-Gletscher überschritten hatten und durch das lange At Dschailoo-Tal nach Südwesten liefen, erreichten wir den Grenzposten Maida Adyr, an dem wir campten und zu dem eine rudimentäre Schotterpiste, die an vielen Stellen ausgewaschen und wegerodiert war, führte.

  • Saison

Die Wandersaison im Tien Shan ist kurz. Grundsätzlich eignen sich die kurzen, heißen kirgisischen Sommer am besten, d.h. im Juli und August ist die ideale Zeit für eine Tour im Tien Shan.

  • Wegebeschaffenheit

Wir sind von Nordwesten über einen hohen Bergpass auf den Inylcheck-Gletscher zugelaufen. Der Weg dorthin war größtenteils nicht vorhanden. Es gab also weder Beschilderungen und Markierungen, noch irgendetwas, was die Bezeichnung „Weg“ überhaupt verdient hätte. Die ersten Tage sind wir also über weite tundra-artige Hochebenen querfeldein gelaufen. Das war recht beschwerlich, weil feste Grasbüschel und Steine das angenehme Laufen verhinderten. Später folgten wir dem Verlauf eines Flusses – entweder an den trockenen Rändern des Flussbettes oder auf höher gelegenen Weiden. Erst als wir nach Osten in ein Seitental abbogen, gab es Trampelpfade.

Nach dem Überschreiten des Passes war plötzlich ein deutlich sichtbarer Weg vorhanden, der sich allmählich ins Tal hinab schlängelte. Vom Pass aus war der Gletscher bereits in voller Pracht zu sehen.

Der Weg über den Gletscher an sich war wie erwartet beschwerlich. Etwa zwei Stunden liefen wir über das Eis, welches zum Glück von einer recht dicken Schicht Geröll, Steinchen und Felsbrocken bedeckt war. Da das Eis des Gletschers ständig in Bewegung ist, gab es keinen konkreten Weg und man musste immer wieder aufpassen, nicht in kleine Spalten oder Tauwasserpfützen zu treten. Ständig ging es kurz bergan, dann wieder bergab. Der Gletscher lag in großen Wellen vor uns. Immer wieder mussten wir Pausen machen, weil uns das Queren so erschöpfte und kein Ende in Sicht kam.

Einmal das andere Ende des Gletschers erreicht, führte der Weg zielstrebig das At Dschailoo-Tal hinab. Am Rande des Tals gab es einen Pfad, der aufgrund einer Besonderheit, auf die ich unter „Besonderheiten und Landschaft“ noch genauer eingehen werde, nur selten zu sehen war.

Insgesamt ist diese Tour eher beschwerlich und erfordert sowohl Trittsicherheit als auch Durchhaltevermögen.

  • Übernachtung

Am Fuße des Gletschers befindet sich eine kleine Zeltstadt eines großen Tourenanbieters aus Bischkek. Diese Zeltstadt wird normalerweise als eine Art Basislager für Expeditionen zum Khan Tengri aber auch zu Touren zum Lake Merzbacher genutzt. Da mein Guide den Manager des Camps kannte, übernachteten wir kostenlos in einem der großen Zelte, die eher wie kleine Wohnpavillions wirkten. Außer dem Manager, der schon am frühen Morgen betrunken war, der Köchin und zwei Hunden war das Camp verwaist.

Abgesehen von dieser Übernachtung in der Zeltstadt, schlief ich in meinem Zelt. Insbesondere auf der Anmarschstrecke aus dem Nordwesten konnte man überall sein Zelt aufstellen. Unterhalb des Passes gab es eine wunderbare flache Stelle an einem kleinen See. An Wasser mangelte es unterwegs nicht.

  • Besonderheiten und Landschaft

Diese Trekkingtour führte mich direkt hinein ins Herz des kirgisischen Teils des Tien Shan. Da es sich um ein verhältnismäßig junges Gebirge handelt, ist es voller schroffer Gipfel und zerklüfteter Felsen. Mit dem Khan Tengri, auf dessen Gipel Kirgistan mit Kasachstan und China zusammentrifft, hat die Gegend auch einen 7000er zu bieten. Dementsprechend rauh und wild war die Landschaft.

Neben hohen schneebedeckten Bergen und dem südlichen Enylcheck-Gletscher hatte die Region aber auch schöne tundra-artige Wiesen mit unzähligen Wildblumen und Kräutern zu bieten.

Oberhalb des Gletschers, auf halber Strecke zum Khan Tengri, befindet sich der Lake Merzbacher. Er ist nach Gottfried Merzbacher, dem deutschen Geograf und Forschungsreisenden, benannt, wird durch den nördlichen Gletscher gespeist und entleert sich einmal im Jahr auf geheimnisvolle Weise. Der See wird solange vom Schmelzwasser gespeist, bis er überzulaufen droht. Jedoch entleert er sich unterirdisch und dies geschieht so schnell, dass nicht nur der im At Dschailoo-Tal fließende Inylcheck-Fluss anschwillt, sondern dass gleich das komplette Tal überflutet wird. Es muss kurz bevor wir dort ankamen zu genau diesem Ereignis gekommen sein, denn das gesamte At Dschailoo-Tal war von einer dünnen Schicht Sedimente bedeckt, die immer noch feucht war. Hier und da waren, vor allem im unteren Bereich des Tals, von den Wassermassen mitgeschwemmte Büsche und Äste zu sehen. Der Pfad, der eigentlich vom Gletscher weg das Tal hinab führt, war nur an wenigen Stellen sichtbar. Einerseits hätte ich dieses Naturereignis gern mit eigenen Augen gesehen, andererseits bin ich froh, nicht direkt Zeugin geworden zu sein, denn dies hätte zur ernsten Gefahr werden können.

  • Informationen und Organisatorisches

Diese Region Kirgistans ist eher unter Bergsteigern, die den Khan Tengri erklimmen wollen, bekannt. Nur wenige Wanderer verirren sich in die Gegend des Tien Shan. Trotzdem ist es die Trekkingtour zum Merzbacher-See im Angebot der lokalen als auch der internationalen Trekkinganbieter zu finden.

Ich war mit einem Guide und einem Porter hier unterwegs und würde es immer wieder genau so tun. Sie kennen den Weg, wissen das Wetter einzuschätzen und kennen den Gletscher, den man möglichst nur in Begleitung einheimischer Guides überschreiten sollte. Kartenmaterial habe ich für diese Region nicht finden können. Außerdem war ich mit zwei tollen Menschen unterwegs, die, trotz der Sprachbarriere, sich irgendwann wie gute Freunde anfühlten.


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